Blockseminar "Leib und Körper in der Antike"
Vom 26. Februar bis 1. März 2018 trafen sich im Gästehaus Tornow am See in der Märkischen Schweiz insgesamt 20 Philosophen – Professoren, Promovierte, Promovenden und Studenten – der Universitäten Münster und Rostock, um gemeinsam dem Verhältnis von Körper und Leib in der Antike nachzugehen.
Das gemeinsame Seminar widmete sich ausgehend von leibphänomenologischen Theoremen Hermann Schmitz‘ einer intensiven Beschäftigung mit Texten von Homer, Platon, Aristoteles, der Stoa sowie Paulus. Durch die am Seminarort mögliche konzentrierte, störungsfreie und fokussierte Arbeit an den philosophischen Problemen und Fragestellungen bot sich allen Beteiligten die Chance, sich tiefgründig zugleich mit Neuer Phänomenologie und antiken Klassikern bekannt zu machen. Bis in die späten Abendstunden wurde, auch nach offiziellem Ende des eigentlichen Tagesprogramms, weiter gemeinsam debattiert.
Es ist sicher nicht zu viel gesagt, wenn man festhält, dass das Seminar bei allen Mitstreitern philosophisch wie persönlich bleibenden Eindruck hinterlassen hat und eine Fortsetzung mehr als wünschenswert scheint.
26. Symposion der Gesellschaft für Neue Phänomenologie
„Die Macht der Atmosphären“
13. bis 15. April 2018 in Rostock
Das Restaurant hat eine angenehme Atmosphäre, im Stadion herrscht eine mitreißende Atmosphäre, das Gespräch fand in einer kühlen Atmosphäre statt, diese Familie lebt in einer harmonischen Atmosphäre, im Urlaub stimmte die Atmosphäre, auf der Feier brach eine alberne Atmosphäre aus, im Raum verbreitete sich eine bedrückende Atmosphäre des Schweigens...
Wo immer man hinsieht, sind Atmosphären ein bestimmendes Element, vielleicht sogar das Wichtigste im menschlichen Leben. Wir suchen sie und wir meiden sie, und doch wissen wir kaum etwas über sie. Dass Atmosphären nicht nur in der Lebenspraxis, sondern auch als Gegenstände der Philosophie ernstgenommen werden, ist ein zentrales Anliegen der Neuen Phänomenologie.
„Die Macht der Atmosphären“ – hier geht es nicht einfach um eine Beschäftigung mit Atmosphären schlechthin, sondern vor allem um deren Macht über Menschen. Wie wirken Atmosphären, wie lassen sie sich beschreiben? Kann man sie beeinflussen – und sollte man sie beeinflussen, falls dies geht? Welchen Atmosphären können wir uns nur schwer entziehen? Wie ausgeliefert sind wir ihnen? Was machen sie mit uns? Können Atmosphären überhaupt Macht haben?
Wie wichtig die philosophische Erforschung der Atmosphären ist, zeigt sich, wenn sie auf Kollektive wirken, etwa in Panik, kollektivem Zorn, gemeinsamem Eifer oder in Freude, die sich in Jubel entlädt. Das Atmosphärische des Gefühls ist zwar erst teilweise erforscht, wird und wurde jedoch im Umgang mit ihm privat und öffentlich umfassend ausgenützt, z. B. in der Politik, in der Werbung, in Zeremonien von Institutionen, im Theater und in der Literatur. Universal verbreitet ist diese Nutzung als Kultur der Gefühle im umfriedeten Raum einer Wohnung. Die Tagung trug dazu bei, die Bedeutung der Atmosphären im Gefühlsraum auch theoretisch zu verdeutlichen.
Die das Symposion eröffnende Podiumsdiskussion unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Großheim widmete sich dem Thema „Die verstimmte Gesellschaft? Zwischen Stimmungsmache und Macht der Stimmungen“.
Zwei Vorträge führten am Samstag ins Tagungsthema ein: Prof. Dr. Hermann Schmitz (verlesen durch Dr. Steffen Kluck) über Atmosphären als Macht über Menschen und Prof. Dr. Tonino Griffero, Rom, Über die leibliche Ansteckung. Atmosphären zwischen Immersion und Emersion. Sieben weitere Vorträge erlaubten Einblicke in die beruflichen Felder ärztlicher und psychotherapeutischer Anwendung, der Pflege, Pädagogik, des Managements und welche Atmosphären Therapeuten in psychiatrischen Wohngemeinschaften auszuhalten haben. Und schließlich zeigte die Künstlerin Petra Seibert aus Stuttgart wie atmosphärisch ausdrucksstarke Kunstwerke entstehen und den Betrachter leiblich ergreifen.
Bei aller Produktivität des Symposions wollen wir nicht vergessen, dass am 15. Februar 2018 Dr. Hans Werhahn, Träger des Bundesverdienstkreuzes, großzügige Förderer der phänomenologischen Philosophie, Gründer der Stiftung Neue Phänomenologie, langjähriger Vizepräsident der GNP und deren treibende Kraft von uns gegangen ist. In Dankbarkeit und mit tiefem Respekt gedachten die Teilnehmer des Symposions seiner Person und Lebensleistung.
Tag der Weisheit in Darmstadt
Kurzbericht über den Tag der Weisheit des Instituts für Praxis der Philosophie e.V. (IPPh) 2018 mit dem Thema "Die Weisheit des Herzens" am 28. April 2018
Das Institut hatte in der Öffentlichkeit mit dem folgenden Text zu dieser halbtägigen Versammlung eingeladen:
"Am Tag der Weisheit 2018 soll es nicht um das Herz als Organ gehen, vielmehr um die Erfahrungen, die wir jeweils mit dem eigenen Herzen machen. Sie werden häufig durch Metaphern ausgedrückt, wie das Herz ist mirschwer oder das Herz hüpft mir im Leibe. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich in solchen Ausdrücken genuin eine leibliche Erfahrung artikuliert – und fragen danach, was uns das Herz in der Alltagserfahrung zu sagen hat."
Die Veranstaltung wurde großzügig von folgenden Sponsoren unterstützt: Stiftung Neue Phänomenologie und Sparkasse Darmstadt. Ihrer Unterstützung verdankt das IPPh die Möglichkeit, diese Veranstaltung durchzuführen.
Die Veranstaltung war gut besucht. Das Auditorium des Literaturhauses in Darmstadt fasst 60 Personen – und fast alle Plätze waren besetzt. Mit dem Thema Die Weisheit des Herzens stellt sich das Institut in eine große philosophische Tradition. Es ist Blaise Pascal (1623 – 1662), der in seinen Gedanken der Weisheit des Herzens (la sagesse du coeur) mehrere Absätze widmet. Er unterscheidet die Weisheit des Herzens explizit von der Weisheit des Verstandes. Die Weisheit des Herzens ist durch Teilnahme, Zu- und Ablehnung bestimmt.
Noch weiter zurückgehend ist der Bezug auf Aristoteles, und zwar speziell zu seiner Schrift de anima (Über die Seele). Dort bestimmt er das Herz als letztes und tiefes Organ der hafe, also des leiblichen Spürens.
Die Leibphilosophie, insbesondere die Neue Phänomenologie hat gelehrt, Leibmetaphern ernst zu nehmen. Es drückt sich in diesen Metaphern eine Erfahrung aus, die unter der Herrschaft des Kartesianismus zu Metaphern herabgedrückt ist. Das Herz ist der Ort der Gefühle, genauer gesagt: der leiblichen Regungen, insbesondere der Liebe.
Als auswärtige Vortragende waren folgende Gäste eingeladen:
Prof. Dr. Ole Høstad, von Universitätskolleg in Telemark/Norwegen. Høystad ist Kulturhistoriker, der sich besonders durch das Buch Kulturgeschichte des Herzens (Böhlau Verlag 2008) qualifiziert hat. Nach Høystad ist das Herz praktisch in allen Kulturen der Kern des Menschseins. Spezieller gilt es seit der altägyptischem Kultur als Beobachter und Bewahrer dessen, was der Mensch in seinem Leben vollbringt. Am Ende des Lebens bzw. nach dem Tod wird das Herz gewogen – darin besteht das Gericht. Im Leben wird deshalb umgekehrt das eigene Herz beschworen, im Nachtod nicht gegen seinen menschlichen Träger zu zeugen.
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs ist Inhaber der Karl-Jaspers-Professur in Heidelberg. Er verbindet die Psychatrie mit der Philosophie. Als Referent für unsere Tagung kam er insbesondere wegen seines Buches Die Mechanisierung des Herzens (Suhrkamp 1992) infrage, mehr noch allerdings durch einen Vortrag, den er seinerzeit am Hygiene-Institut in Dresden gehalten hat, nämlich gerade über Herz und Gewissen. Er entwickelte eine Sozialgeschichte des Gewissens, wobei Gewissen nicht durchweg mit dem Herzen und seiner Stimme verbunden war, sondern durchaus intellektuell verstanden werden konnte. Gewissen wurde dagegen als Stimme des Herzens immer dann verstanden, wenn es als eine emotionale und intuitive Instanz der Selbstbeurteilung erfahren wurde.
Frau Dr. med. Maria Ursula Kreye von der Herzschule München ist im Bereich der Herzrehabilitation und Prophylaxe tätig. Unter dem Titel Die Weisheit des Herzens – mit dem Herz denken lernen bezog sie sich durchaus (im Gegensatz zum vorgreifenden Konzept des IPPh) auf das Herz als Organ. Doch sie legte den Entwurf einer Sinn-Anatomie vor, nach der das Herz alles andere ist als ein bloßes Instrument, viel mehr als der Sitz des Lebens verstanden wird. Der Sinn wird nach dem Konzept als lebendige Gestalt verstanden – und das entwickelte Dr. Kreye anhand der Ontogenese und Anatomie des Herzens.
Zu allen Vorträgen gab es eine reichhaltige Diskussion. Doch damit die Teilnehme der Besucher nicht bloß eine verbale und intellektuelle bleib, Führte die Naturtherapeutin Brigitta Gräber-Bickel vom IPPh eine Herzraum-Übung durch, die an Veranstaltung der Bioenergetik orientiert waren. Die Teilnehmer konnten durch Atmung und Spannung/Entspannung des Brustraumes das Herz-Spüren aktuell erfahren.
Die Zusammenkunft gab den Teilnehmern zur Diskussion und zu Gesprächen in kleineren Kreisen viel Zeit. Letzteres war vor allem dadurch möglich, dass das Institut die Teilnehmer am Ende in den Raum der Textwerkstatt im 3. Stock des Literaturhauses zu einem gemeinsamen Abendessen einlud.
Mitarbeiter des IPPh waren in der Durchführung und in der Gästebetreuung außerordentlich engagiert. Sowohl was die Teilnehmerzahl wie auch was die Beteiligung angeht, war man nach übereinstimmender Meinung der Mitglieder des IPPh das Institut mit diesem ungewöhnlichen Thema Die Weisheit des Herzens sehr erfolgreich.
Rumänische Übersetzung
Die SNP hat die Finanzierung einer rumänischen Übersetzung des Buches "Der Leib" von Hermann Schmitz durch Iulian Apostolescu und Paul-Gabriel Sandu finanziell gesichert.
Übersetzung zweier Fachartikel
Die SNP stellte die Mittel zur Übersetzung zweier soziologischer Fachartikel zur Verfügung, die die Neue Phänomenologie in den soziologischen Diskurs einbringen (R. Gugutzer: "Beyond Husserl and Schütz. Hermann Schmitz and Neophenomenological Sociology"; R. Gugutzer: "Being and Feeling Addicted to Sports. Reflections from a Neophenomenological Perspective").
Satz- und Druckkosten
Für die phänomenologische Reihe der "Rostocker Phänomenologischen Manuskripte" hat die SNP die Finanzierung von Satz- und Druckkosten gewährleistet.
Übersetzungskosten
Die SNP hat die Finanzierung der Übersetzungskosten für einen neophänomenologischen Beitrag zu Atmosphären des Erinnerns übernommen.
Phänomenologische Sommerschule
Dank Mitteln der SNP konnte die Phänomenologische Sommerschule durchgeführt werden. Diese diente der Diskussion phänomenologischer Themen und Begriffe mit Studierenden, Doktoranden und Habilitanden in Zusammenarbeit mit Therapeuten. Wesentliche Themen war Stolz und Trauer.
Digitale Nachbearbeitung
Im Anschluss an das 2017 durch die SNP geförderte Projekt einer Digitalisierung des wissenschaftlichen Briefwechsels von Hermann Schmitz erfolgte eine weitere finanzielle Unterstützung, um durch eine Hilfskraft die digitale Nachbearbeitung der Scans an der Hermann-Schmitz-Forschungsstelle vornehmen zu lassen.
Druckkosten
Für das wahrnehmungstheoretische und im praktischen Sinne ästhetische Buch "Logos - Auge - Leib. Das neue Wahrnehmungsmodell für künstlerisches Gestalten" von Petra Seibert hat die SNP Mittel zur Drucklegung beigesteuert.
Tagungsdurchführung
Für die Durchführung der Tagung "Neue Phänomenologie und Behandlungskunst" unter Teilnahme von Hermann Schmitz hat die SNP finanzielle Unterstützung gewährt. Die Tagung thematisierte den Nutzen, aber auch die Grenzen der Neuen Phänomenologie für praktisch-therapeutische Interventionen.
Übersetzungskosten
Für die Übersetzung eines Aufsatzes von Hermann Schmitz als Beitrag im Sammelband "Music as Atmosphere" (herausgegeben von Juha Torvinen und Friedlind Riedel) stellte die SNP Mittel zur Verfügung.
Druckkosten
Einen Zuschuss zu den Druckkosten bewilligte die SNP für die englische Übersetzung der "Kurzen Einführung in die Neue Phänomenologie" von Hermann Schmitz. Das Buch erschien im Verlag Mimesis.
Druckkosten
Für die Veröffentlichung des aus einer Tagung hervorgegangenen Sammelbandes "Improvisation und Irritation. Über den Umgang mit Unerwartetem" sicherte die SNP die Druckkosten. Der Band erschien im Verlag Karl Alber.